Walter Hoof übt scharfe Kritik an geplanter Ausschaltung der Selbstverwaltung
19. Juni 2019Renten steigen zum 1. Juli 2019 im Westen um 3,18 Prozent und im Osten um 3,91 Prozent
26. Juni 2019Kritik an den Plänen des Bundesgesundheitsministers – Verwaltungsratsvorsitzender äußert sich deutlich in Weimar
(Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,
Als ich mich vor einiger Zeit mit den Inhalten meines heutigen Statements auseinandergesetzt habe, sollte es beginnen mit dem Satz: „Er hat es wieder getan!“ Doch nun ist – mal wieder – eine politische Großwetterlage eingetreten, die es zumindest wahrscheinlich werden lässt, dass alles worüber wir derzeit und auch heute diskutieren in Kürze Makulatur sein könnte. Nach dem für die Großkoalitionäre, und dabei besonders für die SPD, desaströsen Ergebnis bei der Wahl zum Europäischen Parlament hat die bisherige Partei- und Fraktionsvorsitzende, Andrea Nahles, die Konsequenzen gezogen und sich komplett aus der Politik verabschiedet. Dieser Schritt hat im politischen Berlin ein ziemliches Erdbeben ausgelöst, sodass der Fortbestand der Großen Koalition zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gefährdet ist. So kann es sein, dass wir uns in unserer Sitzung im September schon wieder über ganz andere Dinge unterhalten müssen. Soweit der Vorspann. Doch hier weiter einzusteigen, wäre der berühmte Blick in die Glaskugel und die ist mir runtergefallen und zerbrochen. Daher weiß ich dann doch nicht, was geschehen wird und ich möchte folglich dabeibleiben, was heute Fakt und Realität ist. Alles andere wird sich weisen. Und so beginne ich dann doch mit dem Satz:
„Er hat es wieder getan!“ Es könnte ein Satz über einen Gewohnheitstäter sein. Und genau das würde ja auch zutreffen. Es ist der Satz, der beschreibt, das wiederholt etwas in die Wege geleitet wurde, gegen das wir uns wiederum mit Vehemenz zur Wehr setzen müssen. In unserer Verwaltungsratssitzung Ende März haben wir uns unisono gegen alle Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ausgesprochen, die Rechte der Selbstverwaltung einzuschränken. Insbesondere die Entmachtung des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes im sonst so begrüßenswerten Gute-Kassenwahl-Gesetz haben wir intensiv diskutiert, abgelehnt und unsere Meinung mit einer einstimmig beschlossenen Resolution bekräftigt. Und jetzt hat er es eben schon wieder getan. Dieses Mal geht es um die Umstrukturierung der Medizinischen Dienste der Krankenkassen. Sie sollen einerseits von den Krankenkassen organisatorisch getrennt werden und zum zweiten, Krankenhäuser seltener überprüfen. Auf den zweiten Punkt komme ich im Laufe des Statements auch noch zu sprechen. Mit dieser Umstrukturierung ist auch verbunden, dass die bisherigen Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste aufgelöst und durch Verwaltungsräte ersetzt werden, die ganz anders besetzt werden sollen. In den Verwaltungsräten der Medizinischen Dienste sollen dann künftig auch Vertreter der Patientinnen und Patienten, der Pflegebedürftigen, der Verbraucher, der Ärzteschaft und der Pflegeberufe vertreten sein. Trotz des im Koalitionsvertrag verankerten Zieles, die Selbstverwaltung stärken zu wollen, wird ein weiteres Gesetz auf den Weg gebracht, das genau das Gegenteil bewirkt. Die soziale Selbstverwaltung, dieses in unserem Land so erfolgreiche System, wird nicht gestärkt, sondern massiv geschwächt, eingeschränkt oder gar abgeschafft. Denn machen wir uns nichts vor, mit dieser neuen Struktur der Verwaltungsräte wird es ungleich schwerer, Interessen der Krankenkassen zu wahren. Und hinzukommt, dass sich grundsätzlich an der Finanzierung nichts ändern soll. Auch die dann veränderten Medizinischen Dienste werden weiter komplett durch die Kranken- und Pflegekassen und somit durch die Beitragszahler finanziert, aber unser Einfluss auf die Medizinischen Dienste gen Null geführt. Und dieser Einfluss ging ja ohnehin auch nicht soweit, dass auf Entscheidungen hinsichtlich von Versicherten Einfluss genommen wurde. Schon gar nicht durch die Verwaltungsräte aus den Krankenkassen. Dieser Einfluss bezog sich eher auf die organisatorischen und haushälterischen Angelegenheiten der MDKn. Aber es wird seitens des Ministers fast so getan, als wenn die Medizinischen Dienste der Krankenkassen fast schon aus der Geiselhaft der Krankenkassen befreit werden müssten, damit sie endlich vernünftig arbeiten können. Vollkommener Blödsinn! Es werden vielmehr funktionierende und aufeinander abgestimmte Organisationseinheiten voneinander getrennt und die Medizinischen Dienste müssen sich in der Folge erst wieder zu solch funktionierenden Organisationen ausbilden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir werden sicherlich im Laufe der Sitzung über diese neuerlichen gesetzlichen Entwicklungen diskutieren und das müssen wir auch. Was Herr Spahn und die Koalition planen, darf nicht unkommentiert bleiben. Aber wir dürfen leider mit unserem Protest nicht auf die Meinung und Unterstützung der Öffentlichkeit bauen. Wie wir ja bereits in unserer letzten Sitzung festgestellt haben, ist Selbstverwaltung kein Thema, von dem sich die Menschen aufrütteln lassen. Das ist sicherlich auch ein Moment, das Herr Spahn in seine Überlegungen sehr wohl einfließen lässt und er von daher auch nicht mit nennenswertem Widerstand rechnet. Wahrscheinlich ist es auch so, dass die Öffentlichkeit erst dann merken würde, was sie an der Selbstverwaltung gehabt hat, wenn dieses demokratische Instrument irgendwann einmal nicht mehr da sein sollte. Aber dies gilt es zu verhindern und von daher ist es gut, dass auf die neuerliche Initiative von Herrn Spahn von Lobbyseite aus entsprechend reagiert wurde. Sowohl seitens des GKV-Spitzenverbandes als auch des vdek sowie auch der anderen Krankenkassenverbände hagelte es harsche Kritik. Besonders erfreulich finde ich es, dass sich auch die Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen, Frau Rita Pawelski, in ihrer Funktion in die Diskussion eingeschaltet hat und insbesondere zur Abschaffung des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes in seiner jetzigen Struktur ihre unmissverständliche, ablehnende Meinung geäußert hat. Sie schließt ihren Brief mit der Aussage, dass ja auch niemand auf die Idee käme, den Bundestag abzuschaffen und durch Profis aus den Ministerien zu ersetzen. Sie bittet Herrn Spahn zudem um einen Gesprächstermin. Dem braucht man eigentlich nichts mehr hinzuzufügen und ich hoffe sehr, dass der geballte Protest aus den Krankenkassen, flankiert von Frau Pawelski, seine Wirkung erzielt und Herrn Spahn von seinem offenbar strategischen Vorhaben, die Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen zu schwächen oder gar abzuschaffen, noch abzubringen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich habe es eben bereits anklingen lassen. In dem Gesetz zur Reform der Medizinischen Dienste verbirgt sich u. a. noch ein weiterer Teil, den es meines Erachtens ebenfalls scharf zu kritisieren gilt. Es geht um die Reduzierung der Prüfquoten in Krankenhäusern. Ich möchte zur Verdeutlichung einmal zwei Aussagen gegenüberstellen, die auch in der Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum Gesetz so festgehalten sind. Zitat: „Jede zweite geprüfte Krankenhausabrechnung (mehr als 56 Prozent) war 2017 fehlerhaft.“ Und weiter: Die Prüfquote soll mittels des Gesetzes von jetzt durchschnittlich 17,1 Prozent über alle Krankenkassen auf max. 10 Prozent abgesenkt werden. Wenn es so kommt, führt dies allein im Jahr 2020 zu Mehrausgaben von mehr als 1 Milliarde Euro. Es ist geradezu ein Skandal, dass die Beitragszahler damit – und mit Wissen der Politik – für Falschabrechnungen der Krankenhäuser zahlen sollen. Und die Krankenhäuser werden ja geradezu animiert, falsche Abrechnungen zu stellen, weil die Chance, dass eine Krankenhausrechnungsprüfung zu Rückforderungen führt, deutlich geringer wird. Apropos Rückforderung: auch die Möglichkeit, berechtigte Forderungen gegeneinander aufzurechnen, soll mittels des Gesetzes deutlich eingeschränkt werden, sodass der bürokratische Aufwand an dieser Stelle auch noch massiv steigt. Sicher, es verbergen sich auch positive Ansätze im Rahmen der Krankenhausabrechnungsprüfung in diesem Gesetz. Aber diese können ihre Wirkung erst deutlich nach dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes entfalten. Und es darf nicht sein, dass wieder einmal die Krankenkassen und damit die Beitragszahler mit Mehrkosten belastet werden. Mehrkosten, die auch noch leicht vermeidbar sind, wenn man die Prüfquoten nicht antasten würde. Zynisch ausgedrückt, kann ich den Lobbyisten auf Krankenhausseite nur gratulieren. Sie haben gute Arbeit geleistet und der Minister hat sich offenbar von Ihnen zu unseren Lasten, und damit letztlich zulasten der Beitragszahlenden, überzeugen lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
einige Worte möchte ich auch noch zum Faire-Kassenwahl-Gesetz verlieren, Alle wesentlichen Akteure haben sich zu diesem Gesetz geäußert und die geplante Einschränkung der Selbstverwaltung wurde kassenseitig und von Teilen der Politik unisono abgelehnt. Ich erinnere an das Schreiben von Frau Pawelski an Herrn Spahn. Hier gilt es abzuwarten, ob dieser Protest Wirkung zeigt und sich die Politik an dieser Stelle noch umstimmen lässt. Diffiziler sind die Reaktionen auf den Hauptteil des Gesetzes ausgefallen, der von uns und von Ersatzkassenseite sehr begrüßt wurde. Nämlich die Pläne der Bundesregierung und des Ministers zu Reform des Morbi-RSA und die Organisationsreform der Krankenkassen und der Aufsichten. Für uns steht dabei im Vordergrund, dass die Umsetzung des Gesetzesentwurfes es gewährleisten würde, die Unwuchten des Morbi-RSA zu glätten und – ebenfalls ganz wichtig – die Aufsichten der Krankenkassen zu vereinheitlichen. Zusammengefasst gewährleistet dieses Gesetz eine weitaus gerechtere Zukunft der Krankenkassen. Aber das, was wir als gerecht und damit notwendig ansehen, wird anderenorts rundweg abgelehnt. Auch wenn ich diese ablehnende Haltung nicht gutheiße, ist sie natürlich nachvollziehbar. Auch wenn die Gesetzeslösung gerechter wäre, so profitiert andererseits nicht jeder davon. Denn von den bisherigen Unwuchten des Morbi-RSA und von den verschiedenen Zuständigkeiten haben insbesondere die AOKn gut gelebt. Ich vermute, unser Vorstand hat hierzu bestimmt wieder in seinem Bericht Informationen dazu, welche Auswirkungen dies auf die diversen Kassenarten bei ihrer finanziellen Ausstattung hat. Und auch die Bundesländer zeigten sich wenig begeistert über Herrn Spahns Pläne. Halten Sie doch die schützende Hand über ihre AOKn und lehnen daher mit fadenscheinigen Gründen sowohl eine Reform der Aufsichten als auch die Öffnung der regionalen Krankenkassen bundesweit für alle Versicherte ab. Man darf hier noch sehr gespannt sein, wie das Gesetzesverfahren weitergeht. Ich kann nur hoffen, dass es nicht zu viele Federn lassen muss und wir, und damit meine ich auch speziell wir als DAK-Gesundheit, am Ende mit nahezu leeren Händen dastehen. Wir sind zwar im Ersatzkassenlager einhellig der Meinung, dass die Reformen des Morbi-RSA und der Aufsichten kommen müssen. Aber machen wir uns nichts vor, eine Nichtumsetzung können die einen besser verkraften als andere. So ehrlich müssen wir sein, wir können jede Verbesserung, auch unserer finanziellen Situation gut gebrauchen. Von daher müssen wir alles daransetzen, dass so viel wie möglich aus diesem Teil des Gesetzes Realität wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe soeben gesagt, dass wir jede Verbesserung unserer finanziellen Situation gebrauchen können. Aber ich habe auch immer wieder betont, dass wir uns dabei nicht auf den Gesetzgeber verlassen dürfen. Und die Unsicherheit, ob von dem Faire-Kassenwahl-Gesetz im weiteren Gesetzgebungsverfahren viel übrig bleibt, zeigt – so glaube ich – auch die Richtigkeit dieser Position. Von daher bin ich sehr froh, dass auch die vergangenen Wochen gezeigt haben, dass wir in verschiedenen Bereichen gute Erfolge zu verzeichnen haben. So haben wir u. a. – trotz der für den Vertrieb der DAK-Gesundheit schwierigen Ausgangslage im Jahr 2019 – gute Erfolge zu verzeichnen, die auch extern wahrgenommen werden. Das bedeutet nicht, dass wir bei der Versichertenentwicklung irgendwie über den Berg wären. Weit gefehlt. Aber, dass wir trotz der Tatsache, dass wir bei der noch zugenommenen Spreizung bei den Beitragssätzen zu Jahresbeginn aktuell ein leichtes Plus zu verzeichnen haben, ist ein großer Erfolg. Und auch die paritätische Finanzierung, ein für uns so wichtiger Erfolg, wird bei vielen Arbeitgebern naturgemäß nicht so positiv gesehen. Aber auch das hat bis dato nicht zu Negativentwicklungen geführt. Aber der Erfolg hat viele Väter. Und so ist es auch bei uns. Zum einen macht der Vertrieb trotz der, wie gesagt, schwierigen Ausgangslage erfolgreiche Arbeit. Aber gleiches gilt auch für den Betrieb bei der Vermeidung von Kündigungen und der Rückholung von Versicherten, die bereits gekündigt hatten. Zudem haben wir uns zuletzt berichten lassen, wie erfolgreich auch die Fachzentren für Mitgliedschaft an der Bestandsentwicklung mitarbeiten. Das alles macht Hoffnung, dass die Versichertenentwicklung sich weiter positiv darstellen wird und wir in einem mittelfristigen Zeitraum wieder zu einer wachsenden Krankenkasse werden. Kurzfristig noch wichtiger sind Erfolge bei Kosteneinsparungen, um unsere Haushaltsziele zu erreichen. Auch hier sind unsere Rahmenbedingungen weiter angespannt, denn unsere Finanzdecke ist trotz der Tatsache, dass wir in den vergangenen Jahren unsere Mindestrücklage wieder haben auffüllen können, recht dünn. Und so treffen uns gesetzliche Veränderungen im Gesundheitswesen, wie vorhin bei der Krankenhausabrechnung dargelegt, immer noch weit härter als eine finanziell gut situierte Konkurrenz. Und von diesen Gesetzen hat es in den vergangenen Jahren einige gegeben. Der Vorstand hat uns stets auch die finanziellen Auswirkungen dargelegt, die damit verbunden waren und sind. Von daher möchte ich unser erfolgreiches Performance-Management hervorheben, mittels dessen wir es in den vergangenen Haushaltsjahren auch immer wieder geschafft haben, nicht in ein Defizit abzurutschen. Die Jahresrechnung für das Jahr 2018, die wir heute beschließen und damit dem Vorstand Entlastung erteilen wollen, legt davon Zeugnis ab. Auch für das Jahr 2019 erwarten wir uns eine erfolgreiche Leistungs- und Kostensteuerung, ohne – und das möchte ich betonen – die berechtigten Ansprüche der Versicherten einzuschränken. Wie man sieht, leisten Vorstand und Verwaltung in diesen beiden für eine Krankenkasse so essentiellen Bereichen von Leistung und Markt gute Arbeit, und dies darf dann auch mal entsprechend betont werden.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen,
betonen möchte ich dann auch noch abschließend, dass es nunmehr gelungen ist, den Tarifvertrag zur Reorganisation der Zentrale abzuschließen. Auch dazu gratuliere ich, und zwar den Tarifpartnern. Dies ist nun sicherlich der entscheidende Schritt gewesen, um die so notwendige Reform der Zentrale weiterzuführen und dabei auch die berechtigten Interessen der Beschäftigten zu wahren. Jeder von uns hier am Tisch wird dazu sicherlich seine eigene Bewertung im Detail haben. Einig dürften wir uns darüber aber sein, dass damit eine entscheidende Grundlage dafür gelegt worden ist, die von uns beschlossene Vision und Strategie voranzutreiben. Mit dem Lob für den Abschluss verbinde ich dann aber auch gleichermaßen die Erwartung, dass die Reorganisation der Zentrale alsbald abgeschlossen wird und damit die organisatorische Grundlage gelegt ist, um von der Zentrale bis in jede Gliederungseinheit eine durchgehende und in sich stimmige Strategie verfolgen zu können.
Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.