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Verwaltungsratsvorsitzender kritisiert aktuelles Gesetzesvorhaben aus dem BMG

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

Covid-19, Corona-Pandemie, wie man dieses seit Monaten beherrschende Thema auch immer bezeichnet. Eines ist klar, das Virus und seine Auswirkungen hat die Welt und Deutschland weiter im Griff und das wird auch noch eine ganze Zeitlang so bleiben, wie es uns durch die aktuellen, teils bedenklichen Infektionszahlen vor Augen geführt wird. Und von daher ist es sicherlich auch nicht verwunderlich, dass auch dieses Statement von Corona und den damit in Verbindung stehenden Auswirkungen bestimmt und beherrscht wird.

Unsere letzte reguläre Verwaltungsratssitzung fand im Dezember 2019 statt. Danach haben wir uns mittels Telefon- und Videokonferenzen auf dem Laufenden gehalten und unsere Beschlüsse im schriftlichen Verfahren getätigt. Mit unserer heutigen Sitzung kehren wir nun zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie, zumindest, was den Verwaltungsrat angeht, zu einem Stück Normalität zurück. Wir tagen heute weitgehend wieder in Präsenz. Weitgehend, weil sich einige von uns heute doch von zuhause per Video zugeschaltet haben und wir daher auch die notwendigen Beschlüsse erneut schriftlich abfassen werden. Soweit zu den Rahmenbedingungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dieter Schröder, Verwaltungsratsvorsitzender der DAK-Gesundheit © Foto: DAK

im Gegensatz zu meinen üblichen Statements, die zumeist
erst einmal die Sozialpolitik und die Gesetzgebung in den Fokus nehmen, werde ich heute zuallererst unsere DAK-Gesundheit in den Mittelpunkt stellen. Ich finde es großartig, wie es im Unternehmen bisher erreicht wurde, das Virus weitgehend vor der Tür zu halten. Natürlich gibt und gab es infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber die Anzahl ist doch sehr überschaubar und es hat sich bisher auch noch kein interner Hotspot in der DAK-Gesundheit ausgebildet. Dies, so denke ich, ist zuallererst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesamtheit zu verdanken, die sich vorbildlich verhalten haben, aber auch allen im Unternehmen, die an verantwortlicher Stelle die Folgen der Pandemie beeinflussen konnten. Zu nennen sind hier natürlich Vorstand und Geschäftsleitung. Aber auch der Krisenstab und das Notfallmanagement und nicht zuletzt der Hauptpersonalrat. Gerade das Verantwortungsbewusstsein des Hauptpersonalrates möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben. Gemeinsam mit dem Vorstand wurde der Solidarpakt entwickelt und beschlossen. Damit wurden die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kasse eine Reihe von Maßnahmen in Anspruch nehmen konnten, um vor allem auch in der ersten Zeit der Pandemie, als die Infektionszahlen sehr hoch waren, sich und Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Und es wurden Regelungen dahin geschlossen, Arbeiten und Tätigkeiten umzusteuern. Bspw. haben somit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Vertrieb ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Betrieb und in der Versichertenansprache unterstützt. Und es wurde die Möglichkeit des mobilen Arbeitens für viele Tausend in der Mitarbeiterschaft eröffnet und auch vielfach genutzt. Ich glaube, gerade auch das mobile Arbeiten bzw. Homeoffice hat insbesondere dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen bei uns so niedrig geblieben sind, da einfach dadurch sonst übliche vielfache Kontakte unterbleiben konnten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin der Auffassung, durch die eingeleiteten und umgesetzten Maßnahmen in Bezug auf Corona haben sich zwei Dinge ganz deutlich herauskristallisiert:

  1. die DAK-Gesundheit ist mittlerweile ein agiles Unternehmen, das es versteht, auf Einflüsse schnell und umfassend zu reagieren und eben nicht mehr die „gute, alte Dame DAK“, als welche sie manches Mal noch gerne hingestellt wird. Die von uns als Verwaltungsrat mitgetragenen Veränderungen der Organisation und die Modernisierung der DAK-Gesundheit haben sich ausgezahlt. Die Schnelligkeit, mit der. das mobile Arbeiten zu Beginn der Pandemie umgesetzt wurde, ist hierfür ein sichtbares Zeichen und Beleg. Steht aber letztlich nur als Beispiel für viele andere Maßnahmen.
  1. die Sozialpartnerschaft in der DAK-Gesundheit funktioniert. Arbeitgeber DAK-Gesundheit und Personalvertretungen und Gewerkschaften haben naturgemäß unterschiedliche Meinungen und Forderungen zu bestimmten Sachverhalten. Das ist völlig normal und gehört im betrieblichen Diskurs hinzu. Dieser Diskurs wird dann auch manches Mal mit einiger Härte geführt, um die jeweiligen Forderungen möglichst durchzusetzen. Das ist Teil unserer Demokratie. Die aktuelle Situation hat jedoch gezeigt, dass in unserem Haus Arbeitgeber und Personalvertretungen und Gewerkschaften ihre harten Positionen in den Hintergrund stellen können, wenn sozusagen „Not am Mann“ ist. In rekordverdächtiger Zeit ist der Solidarpakt geschmiedet worden, der eben alle relevanten Regelungen beinhaltet, die ich eingangs bereits angerissen habe, und die dazu beigetragen haben, uns bisher als Unternehmen so gut durch die Krise zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

gut durch die Krise bringen wäre ein ebenso gutes Stichwort, wenn es um die finanzielle Bewältigung der Corona-Pandemie geht. Entgegen aller Annahmen, die wir zu Beginn der Pandemie angestellt haben, dass im Laufe des Jahres erhebliche finanzielle Belastungen auf die GKV zukommen werden, zeigen die Finanzergebnisse der KV45 für das zweite Quartal doch ein vollkommen anderes Bild. Ca. 1,3 Mrd. an Überschüssen hat die GKV „erwirtschaftet“. Dieses Ergebnis hat natürlich seine Ursachen und liegt in erster Linie daran, dass neben den erheblichen gesamtgesellschaftlichen Aufwendungen für die Bewältigung der Krise, durch Covid-19 die GKV-Versicherten Kassenleistungen nicht so in Anspruch genommen haben, wie es sonst geschehen wäre. Und die direkten Corona-bedingten Krankheitskosten durch Infizierte waren für die GKV bei weiten nicht so hoch, wie man es zu Beginn der Pandemie durch das Freiräumen von Betten und Einrichten zusätzlicher Intensivbetten angenommen hatte. Insofern kommen diese großen Überschüsse zustande, die der Gesundheitspolitische Informationsdienst gid in seiner Ausgabe am 18. September aber zurecht als unechte Überschüsse bezeichnet hat. Denn es ist so, dass bereits jetzt – auch an unseren internen Zahlen – erkennbar ist, dass das Leistungsverhalten der Versicherten wieder anzieht. Und das muss ja auch so sein, denn die Krankheiten, aufgrund derer Untersuchungen, Behandlungen und Operationen normalerweise stattgefunden hätten, sind ja nicht einfach verschwunden, sondern in der Hauptsache lediglich verschoben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

dies alles trifft so auch auf unsere DAK-Gesundheit zu. Und das noch in einem stärkeren Umfang als bei manchen anderen Krankenkassen. Wir haben zum Ende des zweiten Quartals ein hervorragendes Zwischenergebnis erzielt, das eine Reihe von Ursachen hat. Zwei der wichtigsten sind unsere erfolgreiche Leistungssteuerung und zudem die eben erwähnte Nichtinanspruchnahme von Leistungen unserer Versicherten vor allem im zweiten Quartal 2020. Und hier ergeben sich aufgrund der Altersstruktur unserer Versicherten überproportionale Einsparungen gegenüber vielen Konkurrenzkassen. Dadurch, dass unsere Versicherten älter und im Durchschnitt kranker sind als die anderer Krankenkassen, nehmen sie in normalen Zeiten mehr Leistungen in Anspruch als eben dieser Durchschnitt. In Zeiten wie diesen werden dagegen mehr Krankheitsfälle verschoben und das führt zu überdurchschnittlichen Einsparungen. Aber ich sagte bereits, es sind im Prinzip unechte Einsparungen, weil es hier zu Nachholeffekten kommen wird. Aber es hätte dabei geholfen, mit einem gehörigen Finanzpolster in das kommende Haushaltsjahr zu gehen und auf jeden Fall evtl. notwendige Anpassungen am Beitragssatz vermieden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„hätte“ ist hierbei das entscheidende Wort. Denn, wenn alles so kommt, wie es das Bundeskabinett in der vergangenen Woche beschlossen hat, dann gibt es einen erneuten Sündenfall, was die Rechte der Selbstverwaltung angeht und darüber hinaus sollen die Beitragszahler für Kosten geradestehen, die als Folgekosten der Pandemie eigentlich aus Haushaltsmitteln des Bundes zu entrichten wären. So, wie es in anderen Teilen der Wirtschaft auch gehandhabt wird.

Aber im Einzelnen. Um für die Beitragszahler den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz stabil halten zu können, schätzten Bundesgesundheitsministerium und der GKV-Spitzenverband für das Jahr 2021 einen Sonder-Finanzbedarf von 16,6 Mrd. Euro. Hierbei geht es in der Hauptsache um Folgekosten der Pandemie sowohl auf der Einnahmen- als auch Ausgabenseite. Die GKV hat dabei die Finanzierung vieler gesamtgesellschaftlicher Aufgaben übernommen. Ich denke hier an Kostenübernahmen für Corona-Tests, Schutzkleidungen, Auszahlungen für Bonus-Zahlungen an Pflegekräfte etc. Gehofft und gerechnet hat eigentlich jeder mit einem zusätzlichen Bundeszuschuss in genannter Höhe, um die Kosten zu decken und herausgekommen ist ein Kuhhandel zwischen Bundesgesundheits- und Bundesfinanzminister, der voller Zumutungen für die GKV und ihre Selbstverwaltungen steckt. Denn nun ist vorgesehen, dass die Beitragszahler und in der Folge ihre Krankenkassen über die Erhöhung des durchschnittlichen Beitragssatzes und der Abschmelzung von Überschüssen, die ebenfalls aus Beitragsgeldern der Versicherten und der Arbeitgeber resultieren, die Hauptlast tragen sollen und der Bund lediglich 5 Milliarden Euro hinzusteuert.

Bei der Gesamtheit der Zahlungen, die die Regierung bisher in die verschiedensten Bereiche unserer Gesellschaft und der Wirtschaft investiert hat und auch noch investieren wird, und die zugegeben zu einer immensen Verschuldung des Staates führen, stellt sich aber für mich die Frage, ob Herr Spahn bei Herrn Scholz nicht mehr erreichen konnte oder nicht mehr für die GKV erreichen wollte.

Denn man darf spekulieren, ob die Situation für Herrn Spahn nicht eine willkommene Gelegenheit darstellt, die Rücklagen bei den Krankenkassen schneller zu reduzieren. Ohnehin sind ja Einzelkassen ab dem Jahr 2020 verpflichtet, ihre Rücklagen oberhalb einer Monatsausgabe über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren hinweg abzubauen. Offenbar wird hier die Möglichkeit gesehen, mittels der Finanzierung der Pandemie-Folgekosten diesen Vorgang zu beschleunigen. Was aber dabei übersehen wird, ist, dass auf diesem Weg, den die Regierung hier eingeschlagen hat, Versichertengelder dafür sozialisiert werden, die Folgen von Corona zu finanzieren. Das ist nicht Aufgabe der Beitragszahler, sondern der Allgemeinheit. Und das weitere ist, dass es in den Aufgabenhoheit der Selbstverwaltung fällt, über das Vermögen der Krankenkasse, zu dem auch Überschüsse gehören, zu entscheiden. Damit wird in eklatanter Art und Weise in die Kompetenzen der Selbstverwaltung und in die Finanzautonomie eingegriffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

im Anschluss an mein Statement, den Bericht des Vorstands und die Aussprache werden wir diesen Punkt erneut aufgreifen und möglichst auch eine Resolution verabschieden, um der Politik aufzuzeigen, dass wir ein solches Vorhaben entschieden zurückweisen. Das gilt in allererster Linie für die Vorgehensweise der Politik an sich. Aber für uns als DAK-Gesundheit hat es darüber hinaus eben massive finanzielle Auswirkungen. Wir haben es vermocht, uns mit erheblichen Anstrengungen für den Umbau unserer DAK-Gesundheit und für eine sehr effektive Leistungssteuerung in den letzten Jahren aus einem tiefen Tal herauszuholen. Wenn die Politik ihr Vorhaben umsetzt und den Krankenkassen die aktuellen Rücklagen mit einem Stichtag 30. Juni 2020 nach bestimmten finanzwirtschaftlichen Berechnungen entziehen will, trifft uns das in einer Weise, die unseren Konsolidierungskurs zwar nicht zunichtemacht, aber in erheblicher Weise negativ beeinflusst. Nur weil wir genau zu diesem Stichtag erhebliche Überschüsse haben ausweisen können, sind wir noch lange nicht zu einer reichen Krankenkasse geworden. Und wir müssen daher alles versuchen, bis zum Inkrafttreten des Gesetzes noch Änderungen zu erreichen, insbesondere was diese Stichtagsregelung angeht. Die Verwaltungsratsvorsitzenden fast aller Ersatzkassen haben sich bereits in einer gemeinsamen Pressemitteilung gegen diese Finanzierungspläne ausgesprochen. Nun wird es Zeit nachzulegen. Hierzu dient die Resolution, die wir nachher beraten und möglichst beschließen wollen. Lassen Sie uns gegen die Pläne der Bundesregierung gemeinsam ein Zeichen setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

neben der Pandemie geht das Leben, auch wenn man es manches Mal kaum noch so wahrnimmt, durchaus weiter, und dies gilt in gleicher Weise auch für das Gesundheitswesen. Es werden weiter Gesetzesvorhaben vorangetrieben und auch die Kosten für Gesundheit, Krankheit und Pflege steigen weiter. Ich bin froh, dass sich unser Vorstand und die DAK-Gesundheit weiter auf allen gesundheitspolitischen Themenfeldern aktiv zeigt und die Themen vorantreibt. So wurde unlängst unter Beisein der niedersächsischen Gesundheitsministerin, Carola Reimann, in unserem regionalen Pflegekompetenzzentrum in Nordhorn die nächste Phase eingeläutet und es werden von den dortigen Case-Managern die ersten Pflegebedürftigen und ihre Familien betreut und in ihren Belangen unterstützt. Wir als DAK-Gesundheit zeigen damit weiter unsere besondere Kompetenz in Sachen Pflege, die wir ja mit den Pflege-Reports und unserer Beteiligung an diesem Projekt ReKo in den letzten Jahren anerkannt aufgebaut haben. In diesem Zusammenhang dürfte sehr interessant sein, was Minister Spahn in diesem Herbst in Sachen Pflegereform ankündigen wird und ob dabei der Vorschlag der DAK-Gesundheit aus dem letzten Pflegereport zum Sockel-Spitze-Tausch Berücksichtigung findet. Notwendig wird die Reform an dieser Stelle immer mehr, steigen doch die Eigenanteile für Pflegeversicherte ebenfalls immer weiter und haben im Durchschnitt bereits die 2000 Euro monatlich überschritten.

In einem weiteren gesundheitspolitischen Bereich ist ebenfalls nach wie vor Handlungsbedarf. Dieser wird gar durch den Bundesrechnungshof dokumentiert. Der BRH hat festgestellt, dass die zu Beginn des Jahres eingeführten Regelungen zum Risikostrukturausgleich nicht ausreichten, um das System ausreichend vor Manipulationen zu schützen. Den Hauptgrund sieht der BRH insbesondere im zersplitterten und damit uneinheitlichen Aufsichtshandeln der zuständigen Behörden innerhalb der GKV. Der BRH fordert daher ein einheitliches Aufsichtshandeln, um Wettbewerbsverzerrungen zu verringern. Unser Vorstand hat dankenswerter Weise diese Forderung, die ja von der DAK-Gesundheit in die politische Diskussion eingebracht wurde, wieder aufgegriffen und die Bundesregierung aufgefordert, aus den Schlussfolgerungen des Bundesrechnungshofes Konsequenzen zu ziehen. Ich bin gespannt, ob wir an dieser Stelle nochmals vorankommen und dadurch der Morbi-RSA tatsächlich weiter in Richtung Gerechtigkeit reformiert werden kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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