Verwaltungsratsvorsitzender: Rück- und Ausblick auf die Gesundheitspolitik 2019/2020

Lieferengpässe bei Arzneimitteln verhindern
6. Dezember 2019
Statement des Fraktionsvorsitzenden der DAK Mitgliedergemeinschaft, Walter Hoof, zur aktuellen Gesundheitspolitik
12. Dezember 2019
Zeige alles

Verwaltungsratsvorsitzender: Rück- und Ausblick auf die Gesundheitspolitik 2019/2020

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

die Zeitspanne, bis man wieder ein Resümee über das vergangene Jahr abgibt, scheint immer kürzer zu werden. So schnell ist das Jahr gefühlt wieder vergangen. Ein Jahr, dass erneut überaus ereignisreich war. Und ich möchte es einmal flapsig so ausdrücken: ein Jahr, dass voller Gemeinheiten, verbunden mit schwerwiegende Folgen steckte, wenn man es von der negativen Seite aus betrachten möchte. Da ist mit Sicherheit auch eine ganze Menge dran, vor allem gilt das für die gesetzgeberische Seite. Aber das wäre deutlich zu kurz gegriffen. Das Jahr hat auf der anderen Seite auch so einige Erfolge gebracht und dies gilt vor allem für unsere DAK-Gesundheit, also für die Krankenkasse, für die wir uns alle engagieren und die wir vertreten. Und darüber dürfen wir uns zu Recht freuen. Dazu gleich noch im Einzelnen mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte im mich dann doch nochmal mit den Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Und zwar ganz generell und natürlich bezogen auf die Gesundheitspolitik. Mit generell möchte ich den Umstand benennen, mit dem wir uns eigentlich bereits das ganze Jahr beschäftigen und in diesem Tagen wieder umso mehr. Hält die Große Koalition oder nicht? Nach der Wahl der neuen überraschenden Doppelspitze steht das Projekt Große Koalition mehr denn je auf der Kippe und nach dem SPD-Parteitag, verbunden mit den Forderungen zur Nachverhandlung des Koalitionsvertrage muss man sehen, wie es weiter geht. Und das hat dann in der Folge unmittelbare Auswirkungen auf den Bereich, in dem wir uns engagieren. Ob positiv oder negativ? Warten wir es ab. Was jedoch im ablaufenden Jahr auf die Rahmenbedingungen wirkte, und hier ist nun mal der Gesetzgeber, bzw. die Große Koalition und die sie tragenden Fraktionen im Deutschen Bundestag maßgeblich, war eine Politik, die alles andere als kassenfreundlich daherkam. Und diese Wortwahl hat gleich zwei Bedeutungen. Zum einen – so hat man derzeit ganz deutlich den Eindruck – richten sich so gut wie alle gesetzlichen Initiativen gegen die Interessen der Krankenkassen und nutzen eher den Leistungserbringern. Und zum zweiten sind sie ein Griff in die Kassen und gehen dadurch an die finanzielle Substanz der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Rücklagen im Gesundheitsfonds schwinden und schwinden, sodass jetzt bereits darüber nachgedacht wird, die Mindestrücklage des Gesundheitsfonds zu verringern. Im „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Freibetrages in der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge“ ist auch ein unscheinbarer Passus enthalten, der aber bewirken soll, die Mindestliquiditätsreserve von 25 auf 20 Prozent abzusenken und somit um mehr als 1 Milliarde Euro. In etwa so viel, wie das soeben erwähnte Gesetz die Krankenkassen kosten soll.

Dieter Schröder, Verwaltungsratsvorsitzender der DAK-Gesundheit © Foto: DAK

Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren,

bin ich konkret bei den erwähnten Gemeinheiten. Nahezu jedes Gesetz im Gesundheitswesen der vergangenen Jahre ging zu Lasten der Beitragszahler. Unerheblich davon, ob es ein Gesetz war, dass konkret die Leistungen für die Versicherten verbessert oder damit versicherungsfremde Leistungen finanziert werden sollten, so wie bei dem soeben erwähnten Gesetz zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge. Die GKV insgesamt wird mit rund 4,5 Milliarden Euro zusätzlich jährlich belastet. Ich glaube, das macht deutlich, in welche finanzielle Situation die Politik die Krankenkassen gebracht hat. Wenn sich noch bis in das letzte Jahr die sich da bereits anstehende Kostenlawine zwar abgezeichnet, aber durch die Rücklagen im Fonds und bei den Krankenkassen einerseits und durch die Unwuchten im RSA andererseits – zumindest bei einer Reihe von Krankenkassen –kaschieren ließ, so schlägt sie doch bereits in diesem Jahr voll durch. Nahezu alle Kassenarten und Krankenkassen befinden sich mittlerweile im Minus. Und das teilweise in erheblichem Maße. Selbst die durch die erwähnten Unwuchten im RSA verwöhnten AOKen weisen als Kassenart mittlerweile Defizite aus und diese Entwicklung dürfte sich bis zum Jahresende noch fortsetzen.

Nun wäre es unfair, jedes Gesetz ausschließlich unter Kostengesichtspunkten zu bewerten. Manches wirkt sich mittelbar oder unmittelbar auch positiv auf unsere Versicherten aus. So wie auch das Pflegepersonalgesetz. Einerseits entwickelt es Kosten von ca. 10 Milliarden Euro, aber wenn dadurch sich die Pflegesituation in den Einrichtungen verbessert, dann haben unsere Versicherten zumindest auch was davon. Aber es gibt eben auch die ganz anderen Vorhaben des Gesetzgebers. Erwähnt habe ich ja bereits das Gesetz zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung. Damit kommt der Gesetzgeber – zumindest teilweise – Forderungen auch aus diesem Verwaltungsrat nach und auch der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hat Entlastungen für die Bezieher von Betriebsrenten gefordert. Verbunden war der Beschluss im GKV-Spitzenverband aber damit, dass diese Entlastung nicht aus den Mitteln des Gesundheitsfonds erfolgen darf und somit wiederum letztlich von den Mitgliedern der GKV finanziert wird. Aber genau so soll es kommen. 1,2 Milliarden Euro sollen im Jahr 2020 zur Finanzierung der Entlastung der Bezieher von Betriebsrenten dem Gesundheitsfonds entnommen werden. Noch schlimmer in den Auswirkungen verhält es sich mit dem MDK-Reformgesetz. Mal abgesehen von den Auswirkungen auf die Selbstverwaltung, die wir ja auch hier in diesem Verwaltungsrat bereits ausführlich diskutiert haben und die ich heute nicht weiter vertiefen möchte, hat dieses Gesetz auch immense Auswirkungen auf die Finanzlage. Ohne erkennbare Not werden die Prüfquoten für die Krankenkassen bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen massiv eingeschränkt und festgelegt. Damit verringert sich der Umfang der durch die Krankenkassen möglichen Prüfung der Abrechnungsqualität von Krankenhäusern indem die Quote auf 12,5 Prozent der Abrechnungen festgelegt wird. Und das bei der gesicherten Erkenntnis, dass eine Vielzahl von Krankenhausabrechnungen fehlerhaft ist. Ebenfalls 1,2 Milliarden Euro dürfte das die GKV allein im Jahr 2020 kosten und der Versicherte hat gar nichts davon. Und diese Aufzählungen lassen sich ohne Probleme fortführen. Durch das Terminservicegesetz werden im Bereich Hilfsmittel zukünftig öffentliche Ausschreibungen verboten. Im Bereich Heilmittel sollen die dortigen Leistungserbringer die Inhalte und die Behandlungsdauer selbst bestimmen dürfen. Ein völliges Novum im Bereich der nichtärztlichen Leistungen und gelinde gesagt eine Gelddruckmaschine. Aber bei seriöser Einschätzung dürfte diese Maßnahme die GKV im Jahr 2020 weitere 1,4 Milliarden Euro kosten. Wiederum ohne erkennbaren Nutzen für die Versicherten. Hier findet sich der Nutzen unmittelbar im Portmonee der Heil- und Hilfsmittelerbringer wieder.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie gesagt, diese Aufzählungen lassen sich fortführen. Summa summarum führt diese Politik jedenfalls in den finanziellen Kollaps. Die Auswirkungen sind bereits deutlich spürbar. Bereits nach dem zweiten Quartal 2019 waren alle Kassenarten, bis auf die Knappschaft finanziell ins Minus geraten. Und das in einer Geschwindigkeit, die auch von den Experten so nicht erwartet wurde. Hier zeigt sich einfach, dass bereits in den vergangenen Jahren, bis hin zum Gesundheitsminister Gröhe, fast nur noch Gesetze verabschiedet wurden, die nichts mit Kosteneinsparung zu tun hatten. Die eben erwähnten und noch einige mehr werden die finanzielle Situation weiter dramatisch verschärfen. Der Schätzerkreis beim BVA hat in seiner diesjährigen Einschätzung für das Jahr 2020 bereits darauf reagiert und die Anhebung des Zusatzbeitrages um 0,2 Beitragspunkte beschlossen. Eigentlich hätte es unter rein finanziellen Gesichtspunkten noch mehr sein müssen, aber auch hier spielt Politik rein. Und auch die DAK-Gesundheit wird auf die Situation reagieren und den Gürtel enger schnallen. Wir sind in der mittlerweile glücklichen Lage auf Rahmenbedingungen zu reagieren und Reaktionen daraus ableiten zu können. Der Haushalt für das Jahr 2020, den wir im Verlauf der Sitzung noch zu beschließen haben werden, beinhaltet aktive Maßnahmen, um auch das kommende Jahr, mit einem sich weiter verschärfenden Kostendruck begleiten zu können. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu so manchen Vorjahren und diese Entwicklung, die wir hier genommen haben, gehört zu den überaus erfreulichen Bewertungen, die ich für dieses Jahr abgeben kann.

Doch dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen,

etwas später noch ein paar Worte mehr. Zuvor möchte ich mich noch zur Pflegeversicherung äußern Hier spielen wir als DAK-Gesundheit eine maßgebliche Rolle. Denn gerade in der Pflegeversicherung haben wir uns mittlerweile auch auf dem politischen Parkett zu einer der wichtigsten Pflegekassen entwickelt. Das liegt zum einen an dem Forum, welches wir in jedem Jahr der interessierten Öffentlichkeit und dem Fachpublikum bieten, dem Pflegetag der DAK-Gesundheit. Alljährlich werden dort relevante Themen um die Pflegeversicherung diskutiert und fachlich weiterentwickelt. In diesem Jahr stand in Verbindung mit der Veröffentlichung des Pflegereports die weitere Entwicklung der Finanzierung der Pflegeversicherung im Fokus. Hier insbesondere die Eigenanteile für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Auf der Basis der Erkenntnisse des Pflegereports hat ein überaus hochrangig besetztes Podium diese Frage diskutiert. Nun gehen von solchen Veranstaltungen keine Entscheidungen aus. Aber das Thema ist auf politischer Bühne gesetzt und verschiedene Forderungen sind auch aus Reihen der Politik erhoben worden. Letzter Stand ist, dass der Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn, so die Regierung weiter im Amt bleibt, im kommenden Frühjahr einen eigenen Vorschlag zur weiteren Finanzierung der Pflegeversicherung und insbesondere zu den Eigenanteilen vorlegen will. Ergebnis offen, aber ich möchte mal spekulieren, dass dieses Thema noch nicht so weit gediehen wäre, wenn es nicht vor allem durch unseren Vorstand so nach vorne getrieben worden wäre im Laufe dieses Jahres.

Zum Zweiten, in Sachen Pflegeversicherung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

möchte ich die Pflegekompetenzzentren ansprechen. So einige von Ihnen waren bei der Eröffnung des ersten Pflegekompetenzzentrums in Nordhorn dabei und konnten sich von diesem Projekt überzeugen. Gefördert durch den Innovationsfonds und unter Schirmherrschaft des – auch anwesenden – Bundesgesundheitsministers, Jens Spahn, wurde für dieses Projekt in einer wirklich großartigen Veranstaltung der offizielle Startschuss gegeben. Hier wird die Vision verwirklicht, aus einer ehemaligen Krankenhausstruktur eine Wohnanlage, ein Quartier für Pflegebedürftige zu schaffen, in dem viele Professionen wohnortnah quasi unter einem Dach vereinigt werden. Ärzte, Pflege, Apotheke bis hin zu einer Fachausbildung für Pflegekräfte. Ebenfalls basierend auf einer Idee unseres Vorstandes wird hier ein Projekt verwirklicht, das Beispiel geben soll, wie sich unsere Gesundheitsinfrastruktur in Zukunft verändern kann. Dem demographischen Wandel und den Entwicklungen in der Akutmedizin folgend, werden Krankenhausbetten abgebaut und die Pflegeinfrastruktur wohnortnah und strukturell sinnvoll auf- und ausgebaut. Dieser Sache kann man nur weiteren Erfolg wünschen. Und damit haben wir als DAK-Gesundheit wichtige Pflöcke eingeschlagen und uns als eine Kranken- und Pflegekasse präsentiert, die nicht nur Gegebenheiten zu kritisieren hat, sondern aktiv an der Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens teilnimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vom Mitläufer zum Gestalter. Das könnte so eine Bewertung für die DAK-Gesundheit im Jahr 2019 sein. Ich habe ja soeben unsere Rolle in der Pflegeversicherung beschrieben. Aber diese Bewertung möchte ich gerne ganz generell abgeben. Das ganze Unternehmen wurde in den vergangenen Jahren umgestaltet, bzw. wir sind in den letzten Zügen noch dabei. Aber wir haben uns dadurch bereits in die Lage gebracht, ganz anders mit schwierigen Situationen, wie dies z. B. die beschriebene finanzielle Situation eine wird, umzugehen. Alle Gliederungsebenen wurden besser miteinander verzahnt und dies gilt dann eben auch für die Zentrale, die bisher von den großen strukturellen Anpassungen eher ausgenommen blieb. Das miteinander verzahnt sein, spiegelt sich auch für mich in erster Linie dadurch wider, dass viel mehr miteinander gearbeitet und Konzepte entwickelt werden. Es werden mehr die Kompetenzen, die sich auf allen Ebenen befinden, einbezogen und hieraus Handlungen abgeleitet. Die Zentrale ist für die Koordinierung, Steuerung und die strategischen Vorgaben zuständig. Was sicherlich noch fehlt ist, dass die DAK-Gesundheit wieder aus einem Guss daherkommt. Das haben die jüngsten Befragungen in der Mitarbeiterschaft eindeutig herausgearbeitet. Aber hieran wird gearbeitet und man darf es so sehen, dass bei einer Verbesserung der Kultur untereinander und auch dem Kunden gegenüber aus einer Krankenkasse, die schon besser geworden ist, nur eine noch bessere werden kann. Aber dies ist kein Moment zum Ausruhen, sondern höchstens eine Momentaufnahme. Wichtig ist es, hier noch deutlich besser zu werden. Denn diese Verzahnung, das Hand in Hand, das Miteinander ist meines Erachtens eine der Grundvoraussetzungen für den Unternehmenserfolg. Aber da sind wir eben auf einem guten Weg. Das hat sich für mich – und ich glaube, da kann ich auch für Herrn Zöller sprechen – durch die Ergebnisse und Erkenntnisse der letzten Führungsklausur deutlich gezeigt. Wir sind bereits für unsere Herausforderungen ganz gut gerüstet und wir werden besser. Hilfreich ist dabei auch, dass es den Tarifvertragsparteien gelungen ist, einen Gehaltstarifabschluss hinzubekommen. Und ich denke, er ist so gut gelungen, dass damit beide Seiten zufrieden sein können. Und das ist wichtig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in vielen zurückliegenden Monaten erhebliches geleistet. Die gesamten Umstellungen in der Organisation, die Migration der neuen IT und auch das Abarbeiten der Arbeitsrückstände. Da ist eben auch der Abschluss ein Zeichen der Anerkennung für die geleistete Arbeit. Und ich möchte mich dieser Anerkennung anschließen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken für das, was sie alle im und für das Unternehmen geleistet haben. Sie sind diejenigen, die in Gesamtheit die Strategien, die auf den verschiedenen Ebenen entwickelt werden, umsetzen müssen. Und das haben sie gut gemacht. Und dafür darf es dann auch an der finanzeilen Seite stimmen.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren,

viele Aufgaben liegen ja eben auch noch vor uns. Die Steuerungsmaßnahmen müssen greifen, der Vertrieb wird umgebaut und soll im neuen Jahr in neuer Struktur arbeiten, der Kulturprozess soll voranschreiten und vieles mehr. Aber wir sind zunehmend gerüstet und werden die Herausforderungen meistern. Als erfolgreicher Akteur im Gesundheitswesen.

Abschließend möchte ich mich bei Ihnen allen für Ihre Geduld bei meinen Statements, für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit und für unser kollegiales Miteinander ganz herzlich bedanken. Ich wünsche schon mal von dieser Stelle Ihnen allen und Ihren Familien ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr. Das bringt wieder viele Herausforderungen für uns alle und darauf können wir uns schon freuen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

Comments are closed.