Renten könnten deutlich steigen
18. Mai 2021Entscheidung des BSG: Finanzierung von Bundesbehörden aus Beitragsgeldern ist verfassungswidrig
19. Mai 2021Quelle: Frankfurter Allgemeine, 17.05.2021
Es ist gut möglich, dass der deutsche Staat seinen Rentnern zuviel abverlangt. Ob dies so ist, wird am Mittwoch (19.05.2021) der Bundesfinanzhof verhandeln. Dann gehen Deutschlands oberste Steuerrichter der Frage nach, ob die Renten in Deutschland doppelt besteuert werden, und zwar zuerst während ihres Erwerbslebens und später noch einmal bei der Auszahlung ihrer Rente.
So jedenfalls lautet schon seit Jahren der Vorwurf der Kritiker.
Kämen die Richter zu diesem Schluss, wäre das für Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) doppelt misslich: Die Blamage wäre offenkundig. Zweifach zu kassieren ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Außerdem könnte ein solches Verdikt teuer für den Staat werden. Schon jetzt sind mehr als 142 000 Klagen von Senioren in Deutschland anhängig, womöglich entschließen sich noch weitere, Widerspruch gegen ihren Steuerbescheid einzulegen. Das könnte Steuerrückzahlungen nach sich ziehen. Womöglich noch schmerzhafter wäre der nochmalige Umbau der Rentenbesteuerung: Der Gesetzgebungsprozess könnte kompliziert werden, und am Ende drohen auch noch weniger Einnahmen. Um es vorwegzunehmen: Die Verhandlung am Mittwoch ist auf diesem Weg nur eine, wenn auch entscheidende Etappe, denn letztlich geht es um die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Regelungen und in dieser Frage hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort. Doch womöglich lassen es sich die Münchner Steuerrichter nicht nehmen, einige grundsätzliche Pflöcke einzuschlagen. Schon in der Vergangenheit wurde deutlich, dass sie Zweifel am bestehenden System haben.
Verhandelt werden zwei Fälle, in denen das Problem jeweils auf unterschiedliche Art und Weise zu Buche schlägt, beide meinen als Freiberufler, beim anderen in einer Kombination aus Anstellung und freiberuflicher Tätigkeit. Beide sind schon seit mehr als zehn Jahren in Rente.
Ein zentraler Vorwurf lautet:
Die Rentenbeiträge, die aus dem versteuerten Einkommen gezahlt wurden, fielen höher aus als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlung. Damit werfen die beiden Fälle ein Schlaglicht auf die Frage: Hat der Staat bei der Umstellung der Rentenbesteuerung vor 15 Jahren so viel durcheinander gebracht, dass nun Rentner in einer Übergangszeit doppelt zur Kasse gebeten werden? Dass es bisher an einer eindeutigen Antwort auf die Frage fehlt, liegt vor allem an der Komplexität von Steuerangelegenheiten, die bei der Rente ins Absurde abzugleiten droht.
Ein Grund dafür ist, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Besteuerung der Renten vor fast zwanzig Jahren schon einmal in die Parade gefahren ist. Damals monierten die Richter die unterschiedliche Besteuerung von Renten im Vergleich zu den Pensionen von Beamten. Der Staat musste nachbessern, aber nur unter folgender Prämisse: Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf kein zweites Mal, also doppelt besteuert werden.
Eine Rentenkommission der damaligen SPD-geführten Bundesregierung erarbeitete ein Konstrukt, das alle Altersbezüge gleich behandeln sollte. Nun ist es nicht trivial, Korrekturen in ein bestehendes System einzubauen.
Heraus kam 2005 ein Stufenmodell mit unübersichtlichen Übergangsregelungen, die einen Zeitraum von 35 Jahren abdecken. Bis zum Jahr 2040 wird der Anteil der Rente, der der Steuerpflicht unterliegt, schrittweise erhöht. Auf der anderen Seite werden die Rentenbeiträge schrittweise steuerfrei gestellt, ab 2025 soll dieserTeil vollständig abgeschlossen sein. Hinzu kommt, dass die Absetzbarkeit bis dahin begrenzt ist.
Dabei gibt es viele noch ungeklärte Fragen. Eine davon ist, wie sich der Grundfreibetrag auswirkt.